Die „Selection Rheinhessen“ ist eine wirkliche Selektion

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Eines der erfreulichsten Programme in der deutschen Weinlandschaft ist und bleibt die „Selection Rheinhessen“. Hier geht es seit 1992 um wirkliche Premiumqualität in den Flaschen mit der markanten Halsschleife. Der Anforderungskatalog für die teilnehmenden Winzer ist umfangreich und die Hürden sind hoch. Diese Maßnahmen dienen der Steigerung und der Sicherung der Weinqualität, die Instrumente sind bekannt: alte Reben, klassische Rebsorten, niedrige Erträge von maximal 55 hl/Hektar, selektive Handlese und auch die wichtige Herkunftsdifferenzierung nach Einzellagen. 2018 umfasst die Füllmenge der Kollektion immerhin rund 40.000 Flaschen.

Begehungen der Weinberge sowie ständige Kontrollen in den Kellern der beteiligten Winzer und mehrfache sensorische Proben sind selbstverständliche Bestandteile des engmaschigen Qualitätsmanagements. Folglich sind Ablehnungsquoten von bis zu 50% keine Seltenheit. Die Attraktivität des Programms ist jedoch ungebrochen, denn neben vielen „Dauergästen“ mit manchmal mehreren präsentierten Weinen gibt es immer wieder Newcomer.

Bei der „Selection Rheinhessen“, die nicht viele Unterschiede zu den VDP-Kriterien für das Große Gewächs aufweist, schlägt sich dies allerdings mit Preisen von 9,- bis knapp 20,- Euro nicht wirklich nieder. Doch das „Trading Up“, wie es der Vorsitzende von Rheinhessenwein e.V., Thomas Schätzel, nannte, ist weiterhin, gerade durch die Ausdifferenzierung mittels der Einzellagenangabe, in vollem Gange. Neben dem Prestigezuwachs werden also erfreulicherweise künftig auch die Erlöse bei den teilnehmenden Erzeugern weiter steigen. Ein neues „Key Visual“ zeigt auch optisch diese Modernisierungsdynamik.

Sicher konnte in der Vergangenheit trotzdem über den einen oder anderen Wein diskutiert werden, doch in der rasanten Dynamik, die Rheinhessen immer noch kennzeichnet, ist dies ja ein erwünschtes Zeichen – frei nach dem Motto: „Besser Polarisierung als gepflegte Langeweile“. So wird auch in der neuesten Auflage der „Selection Rheinhessen“, 19 Winzer mit 37 Weinen sind dabei, angesichts des nicht einfachen Jahrgangs 2017 wird einiges an Individualität geboten. Der bei den Weißweinen aktuelle Jahrgang 2017 war mit seinen – leider immer häufigeren – Wetterkapriolen wie Frost und Hagel wieder einmal eine Herausforderung für die Winzer. Doch gerade dann zeigt sich, wer etwas kann und wer die Vorgaben der Natur mit seinen eigenen Vorstellungen in Einklang bringen kann. Die Weißweine sind von einer belebenden und strukturgebenden Weinsäure geprägt, ein gewisse Eleganz ist überall schmeckbar und gerade die Silvaner sind diesmal recht schön ausgefallen.

Auffällig ist bei der Entwicklung der Weinstile auf Erzeugerseite, daß neben der schon bekannten Qualitätssteigerung im ganzen Anbaugebiet  – über das Gesamtniveau der Selections-Weine muß nicht mehr diskutiert werden – nun zunehmend eine stärkere individuelle Handschrift bei den vorwiegend jungen Winzern schmeckbar wird. Da findet man immer mehr Weine mit gelungener Spontanvergärung, es gibt gerade im weißen Burgunderbereich Experimente mit dem BSA, es wird wieder vermehrt im neuen, jedoch großen Holzfass ausgebaut und etliches mehr. So bildet sich ein neuer, immer stärker differenzierter persönlicher Stil bei den einzelnen Winzern aus, was wunderbar zur Vielfalt der rheinhessischen Weinpalette beiträgt. Dies wird ebenfalls in den Rotweinen, die fast alle wegen der längeren Ausbauzeit aus dem Jahren 2015 und 2016 kommen, deutlich. Tanninmanagement, Extraktion und Verweildauer im Fass sind hier die Steuerungsparameter für die Stilistik. Viele Betriebe geben ihre besten Rotweine nach der Vergärung erst nach einer angemessenen Ruhezeit zum Verkauf frei.

Für die nächste Auflage der „Selection Rheinhessen“ haben sich schon wieder 25 Betriebe mit insgesamt 62 Weinbergen angemeldet, darunter drei neue Güter, die Kontinuität ist also gewährleistet, jetzt hat „Mutter Natur“ das letzte Wort.

Eine subjektive Auswahl meiner Favoriten:

Riesling: „Flonheimer Feuerberg, Michel-Pfannebecker“, „Gau-Odernheimer Herrgottspfad, Flick“, „Bodenheimer Hoch, Fleischer“, „Elsheimer Blume, Braunewell“, „Hahnheimer Knopf, Kapellenhof“.

Weißburgunder: „Ockenheimer Kreuz, Jäger“.

Grauburgunder: „Laubenheimer Johannisberg, Leber“.

Silvaner: „Gau-Algesheimer Johannisberg, Arndt F. Werner“, „Guntersblumer Bornpfad, Domhof“, „Appenheimer Eselspfad, Bettenheimer“, Ockenheimer Schönhölle, Jäger“.

Spätburgunder: „Ingelheimer Sonnenhang, Dautermann“, „Ingelheimer Burgberg, Arndt F. Werner“.

Frühburgunder: „Ingelheimer Pares, Mett“, „Ingelheimer Schlossberg, Bettenheimer“.

Portugieser:  „Posero SR, Sulzheimer Schildberg, Clemens“.

In einer interessanten Vertikalverkostung gereifter Selectionsrieslinge wurde eindrucksvoll das Entwicklungspotential dieser Spitzenweine demonstriert, meine beiden Lieblinge waren hier : „2012 Essenheimer Teufelspfad, Braunewell“ und „2013 Flomborner Feuerberg, Michel-Pfannebecker“, doch auch die anderen vorgestellten Weine waren bemerkenswert.

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Ungeschminkte Autobiografie und leidenschaftliches Plädoyer

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