Ein gereifter Spitzen-Chardonnay ist eine nachhaltige Sinnesfreude

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So langsam gewinnen sie in der Weinöffentlichkeit wieder an Wertschätzung, die unter perfekten Bedingungen gereiften Weine, die oft von Dekaden verflossener Lebenszeit erzählen und charmante Vergänglichkeit und großen Genuß in sich vereinen. Sehr schön. Nichts gegen die jugendlichen Primärfruchtbolzen, auch sie haben ihre Berechtigung, besonders in weiß und in der warmen Jahreszeit. Doch nur wenige Weinfreunde wissen, daß sich nicht nur die klassischen gerbstoffbetonten roten „Lagerweine“, wie etwa Bordeaux-Crus, Barolos oder wuchtige Spanier gut entwickeln können, sondern es gibt einige trockene Weißweintypen, die hervorragend reifen können (und sollen).

Zumeist sind sie aus Riesling oder Chardonnay gekeltert, den beiden hochwertigsten Sorten für trockene Weißweine, von einigen Ausnahmen einmal abgesehen. Ein solches gereiftes Prachtexemplar aus meinem eigenen Reifekeller habe ich mir kürzlich, also im Jahr 2016, genüsslich zu Gemüte geführt: Ein Au Bon Climat Chardonnay aus dem Sanford & Benedict Vineyard aus dem südkalifornischen Santa Ynez Valley, Jahrgang 1998 (!). Dieser Spitzenwein auf burgundischem Grand-Cru-Niveau wurde von einem Meister erzeugt, denn der visionäre und unkonventionelle Weingutsbesitzer Jim Clendenen hat nach seinem Start 1982 schon früh die Messlatte für kalifornische Chardonnays und Pinot Noirs ganz weit nach oben gelegt. Hier wird seitdem auf faszinierende Weise Innovation und Tradition bei der Weinbereitung vereint und die Weine sind mit ihrer eigenständigen Stilistik Fixsterne am Weißweinhimmel. Das zeigte sich bestens bei diesem in altgoldener Farbe funkelndem Exemplar mit der reifen Phenolik seiner Tertiäraromen und einem komplex-verwobenen Aromengeflecht, das von einer feinen Holzgrundierung über rauchige Noten, Nüsse aller Art, Brioche, Dörrobst bis hin zu subtilen Gewürztönen so einiges an sinnlichen Sensationen bereit hielt. Eine wahre Weinpersönlichkeit und überhaupt noch nicht am Ende seiner Tage.