In Würde gereifte Madeira-Weine gehören im Weinuniversum zu den unbekanntesten und leider auch unterschätztesten Weinerlebnissen, die auf den neugierigen und anspruchsvollen Weinfreund warten. Oft jahrzehntelang nach der klassischen Canteiro-Methode unter den Dächern der Bodegas gelagert, bieten diese aufgespriteten Schätze eine sensationelle Aromenpalette, die diese Weine locker unter die großen Weine der Welt platziert.
Nicht anders war es bei dieser kürzlich verkosteten Old Reserve Terrantez aus dem 1870 gegründeten, renommierten Haus Justino´s. Die Rebsorte Terrantez, die trocken, halbtrocken und süß ausgebaut wird, ist heute sehr selten geworden, nur noch wenige hundert Liter werden auf der ganzen Insel produziert. Das Alter des verkosteten Weines wird auf mindestens 70 Jahre geschätzt. Selbst Justino´s kann keine genauen Angaben machen, denn der Wein stammt aus Fässern, die vor über 50 Jahren beim Aufkauf einer Farm mit erworben wurden und der damalige Besitzer über keine Aufzeichnungen zum Alter der Fässer verfügte. Umso mehr begeisterte mich schon das helle Mahagoni der Farbe und die komplexe Mixtur aus Dörrpflaume, dunklem Honig, Nüssen und etwas Tabak in der Nase. Am Gaumen zeigt sich der Wein superelegant mit mittelgewichtiger Struktur und mit deutlicher, doch recht feiner Extraktsüße. Aromen von gedarrtem Malz, Kaffeelikör, etwas Sandelholz, Orangenmarmelade und schwarzem Tee sowie ein sehr langer Nachhall vereinigen sich zu einem Geschmackserlebnis, das den Genießer in eine veritable Verzückung zu befördern vermag. Da lohnt es sich, auf die Suche nach diesen immer rarer werdenden Weinkunstwerken gehen.