Ungeschminkte Autobiografie und leidenschaftliches Plädoyer
Menschen wie der ehemalige Sternekoch Franz Keller sind zwar nicht seltener geworden, doch ihr unverbogener Charakter wird in einer medialen Landschaft zwischen Meinungs-Mainstream auf der einen und Esoterik-Verirrungen auf der anderen Seite einfach nicht mehr ausreichend wahrgenommen. Doch mehr Aufmerksamkeit und Präsenz wäre dem Meisterkoch und seinem Buch „Vom Einfachen das Beste“, das etwas reißerisch mit dem Slogan „Ein Sternekoch greift an“ daherkommt, zu wünschen. Denn in diesem Buch, eigentlich eine Pflichtlektüre, geht es um nicht mehr oder weniger als um unser tägliches Essen.
Dieses Thema wird natürlich von Heerscharen von Autoren beackert, doch hier haben wir es mit einer unterhaltsamen, aber gleichzeitig sehr informativen, oft amüsanten, doch vor allen Dingen kritischen Lektüre zu tun. In einem mit etlichen Anekdoten gewürzten Rückblick auf Kindheit und Karriere vermittelt Franz Keller viel von der Atmosphäre einer strengen Kindheit und Jugend, von entbehrungs- und ausbeutungsreichen Jahren bei Paul Bocuse und anderen Starköchen. Schließlich die Verwirklichung der eigenen hohen Ansprüche, gefolgt von deftigen Mißerfolgen, bedingt durch viel Naivität. Später die Jahre des Erfolgs in seiner „Adlerwirtschaft“ in Hattenheim und dann der allmähliche Wandel hin zur verantwortungsbewußten Autonomie als Bauer und Erzeuger seiner eigenen Fleischqualitäten.
Sein von der Erkenntnis der absoluten Unzulänglichkeit unserer Agrarwirtschaft initiierte und dann sukzessiv konsequent durchgeführte Entwicklungsprozeß wird anschaulich in klarer Sprache vermittelt und immer mit Fakten unterfüttert. Hier geht´s um Fleischqualität, um Ethik in der Küche und beim Essen, überhaupt um punktgenaue Analyse. Und nie ist der dogmatische Zeigefinger zu sehen. Sehr erfreulich ist, daß Franz Keller nie ein Blatt vor den Mund nimmt und die wahnwitzigen Strukturen der industriellen Nahrungsmittelerzeugung und ihrer neoliberalen Perfidien immer klar benennt. Das folgende Zitat als Beispiel mag als Credo des Buches dienen: „Unsere Marktwirtschaft muß so funktionieren, das nicht nur eine Handvoll Manager und Milliardäre profitieren und der Rest kaputtgeht.“
Das Buch ist aber eben nicht eine eigensinnige Generalabrechnung, sondern möchte immer auch Lösungsmöglichkeiten aufzeigen und zum Schluß gibt´s als Schmankerl noch ein paar simple, aber mit Sicherheit schmackhafte Rezepte obendrauf.
Franz Keller: „Vom Einfachen das Beste. Essen ist Politik oder Warum ich Bauer werden musste, um den perfekten Genuss zu finden“,
Westend Verlag, gebunden, 243 Seiten, 24,- Euro.
ISBN: 3864892031
EAN: 9783864892035